50 ist das neue 30!
…so sagt man zumindest.
Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt, doch wenn ich mich selbst so betrachte, fühle ich mich mehr der 30 näher als der 50. Da muss sich ein Fehler in meinen Personalausweis geschlichen haben!
Scherz beiseite. Ich wäre nicht die, die ich heute bin, wenn ich nicht die Erfahrungen der letzten 20 Jahre durchgemacht hätte. Dagegen war ich mit 30 ein Küken.
Man sagt, Frauen kommen in eine Lebenskrise, wenn sie 30 Jahre alt werden. Sie hinterfragen alles, was sie erreicht haben, wo sie stehen und wo sie hinwollen.
So gesehen, bin ich wohl tatsächlich erst 30.
Seit einem Jahr hinterfrage ich mein Leben. Meinen beruflichen Werdegang. Meine Einstellung zur Work-Life-Balance. Ob und wofür ich meine Talente nutze und genutzt habe.
Mein Resümee fällt nicht gerade positiv aus.
Talent ist das, was Du nie hinterfragst
Vor langer Zeit habe ich mal einen Bericht gelesen, über die Schwierigkeit, ein Talent in sich selbst zu erkennen. Darin wurde die Theorie aufgestellt, dass viele Menschen ihr eigenes Talent nicht erkennen, weil es eine Gabe ist, die es ihnen leicht macht, Dinge zu tun, die anderen Leuten schwer fallen. Für die diese hart arbeiten müssen, um annähernd das gleiche Niveau zu erreichen.
Dieser Artikel kommt mir immer dann in den Sinn, wenn ich meine Tochter singen höre oder ihre Bilder sehe. Sie ist definitiv ein Beispiel dafür, dass man selbst sein eigenes Talent nicht erkennt. Für mich habe ich das noch nie in Betracht gezogen – bisher jedenfalls nicht.
Meine Aufgabe lautet also: was ist Dein Talent?
In der klassischen Definition würde ich sagen, das Schreiben. Zwar habe ich schon immer gerne geschrieben, es aber nicht als Talent betrachtet.
Als Tochter zweier Journalisten, deren kleinste Notizen bereits im Kindesalter hinsichtlich Rechtschreibung, Grammatik, Interpunktion und Stil bewertet wurden, ist es nur natürlich, das sie schreiben kann. Dachte ich.
Im Zuge meiner „Findungs-Phase“ erhielt ich von der Arbeitsagentur das Angebot, einer individuellen Weiterbildung auf mehreren Ebenen. Ich spürte, es muss sich etwas ändern.
Eines der Angebote der LVQ – so heißt das Weiterbildungsinstitut – war der Online-Redakteur.
Als ich das las, hatte ich sofort die Stimmen meiner Eltern im Ohr: der Journalismus ist nicht mehr das, was er mal war, die ganzen Möchtegern-Journalisten, die im Internet ihr Unwesen treiben, haben keine Ahnung von seriöser und qualitativ hochwertiger Berichterstattung.
Dem Rebell in mir gefiel die Vorstellung, welches Gesicht mein Vater wohl machen würde, wenn ich ihm sage, ich werde nun Online-Redakteurin. Ich schrieb mich ein.
Wie so oft im Leben kam es anders. Als ich meinem Vater von meinen Plänen erzählte und dass eine der Prüfungsaufgaben die Erstellung eines eigenen Beitrags für die selbst erstellte Website sei, antwortete er nur lapidar: „Schreiben kannst Du.“
Das war das erste Kompliment, das ich je von meinem Vater erhalten habe.
Der spätere Lehrgang hat mir so viel Spaß gemacht, dass sich meine Einstellung zum Thema Online radikal geändert hat. Ich beginne zu glauben, ich habe tatsächlich ein Talent.
Eigenschaft oder Gabe?
Zurück zum eigentlichen Thema. Der Duden beschreibt Talent so: Begabung, die jemanden zu ungewöhnlichen bzw. überdurchschnittlichen Leistungen auf einem bestimmten, besonders auf künstlerischem Gebiet befähigt. Eine Gabe kann also mehr sein, als nur künstlerisch. Gibt es vielleicht noch etwas, was mich von der Masse unterscheidet?
Ich war nie esoterisch veranlagt, auch wenn ich ganz gerne mal mein Horoskop lese. Man sagt Jungfrau-Geborenen eine ausgeprägte Analysefähigkeit, eine hohe Auffassungsgabe und eine fast pedantische Ordnung nach. Übersetzt man Ordnung in Struktur, so kann ich sagen, diese Jungfrau-Eigenschaften treffen auf mich zu. Voll und ganz.
Zur Weiterbildung gehörte auch in jedem Kurs die Präsentation des jeweiligen Abschlussprojekts.
Jedes Mal sprachen die Prüfer, unabhängig voneinander, von meiner starken Präsenz. ICH?
Meine Berufserfahrung hat mich gelehrt, anzuerkennen, dass ich eine hohe Kommunikationsfähigkeit und eine Empathie im Umgang mit Menschen besitze. Das hat meinen Erfolg im Vertrieb ausgemacht und war wahrscheinlich der Grund, warum ich immer wieder dort gelandet bin. Aber Präsenz? Soviel zu Selbst- und Fremdwahrnehmung.
ICH WILL MEHR!
Alles, was ich im letzten ¾ Jahr erlebt habe, weckt in mir den Wunsch auf mehr. Denn ich bin mehr. Und ich will mich voll und ganz einbringen können.
Man mag sich fragen, warum ich nicht in die Fußstapfen meiner Eltern getreten bin und eine Karriere als Journalistin angestrebt habe.
Das ist schnell beantwortet:
- Ich war unfertig als sich die Frage nach meiner Zukunft das erste Mal stellte
- Meine Eltern waren so verhaftet in ihrem Beruf, dass ich das Gefühl hatte, ich sei selbst ein Teil davon. Möglicherweise waren es auch die Nachteile, die aus Kindersicht ein solcher Beruf mit sich bringt: keine festen Arbeitszeiten, kaum Freizeit, kaum Zeit für die Familie
- In meiner Eltern Fußstapfen zu treten hätte ihnen die Möglichkeit gegeben, sich einzumischen.
Gerade meine Mutter – sie ruhe in Frieden – mit ihrem Weltverbesserer – Gen, hätte jede Gelegenheit genutzt, mir zu zeigen, wo es langgeht. Ein Albtraum!
Journalisten sind Menschen, die sich berufsbedingt in vielen unterschiedlichen Themengebieten bewegen können müssen. Mit den unterschiedlichsten Menschen zurechtkommen. Informationen sammeln. Recherchieren. Strukturieren. Sich selbst und ihr Medium vermarkten. Um erfolgreich zu sein.
Alles das trifft auch auf den Vertrieb und auf mich zu. Darüber hinaus bin ich Berater und Projektmanager.
Ganz egal, ob Talent oder Gabe, Berufserfahrung oder persönliche Eigenschaften, was ich mitbringe, steckt in mir und nicht in meinem Lebenslauf. Ein Blick dahinter lohnt sich!