ChatGPT and Me
Bewerbung mit ChatGPT – ein Selbstversuch
ChatGPT gestaltet meinen Lebenslauf
Ich bin gerade in der Bewerbungsphase und lege eigentlich Wert darauf, dass meine Bewerbungsunterlagen von mir selbst erstellt werden – mein Stil, meine Wahrheit.
Als Mensch, der sowohl die analoge wie auch die digitale Welt kennengelernt hat bin ich, zugegebenermaßen, ein wenig zwiegespalten, wenn es um KI geht – ähnlich wie das Internet birgt es viele Chancen, aber auch Gefahren.
Ich lade mir also ChatGPT runter, füge meinen Lebenslauf ein und bitte ChatGPT, diesen zu analysieren.
ChatGPT ist voll des Lobes – die KI ist positiv programmiert, hat aber dennoch ein paar Anmerkungen. Zufälligerweise die, die ich auch habe, nämlich, bei gleichem Jobprofil immer wieder die gleichen Tätigkeiten hinzuschreiben. Das muss doch nicht sein, findet ChatGPT. Ich finde das auch, doch mir wird immer wieder gesagt, deutsche Personaler wollen unter jeder Station ein paar Bulletpoints, was ich dort gemacht habe. Tja, und wenn ich das mache, mit Ausbildung, Sprachen, Weiterbildungen und meinen zahlreichen beruflichen Stationen, kommen schnell mal 6 Seiten zusammen.
Ich möchte mich nicht gegen die Anforderungen stellen, aber mal ehrlich, wir Menschen sind doch dank Internet und Hörbüchern lesefaul geworden. Wer sieht sich schon 6 Seiten Lebenslauf intensiv an?
Ich habe also noch ein Kurzprofil im Petto, das lade ich bei ChatGPT hoch und auch das wird von der KI analysiert. Hier gab es tatsächlich auch sonst keine Anmerkungen, stattdessen schlug die KI mir vor, aus den Informationen sowohl einen neuen zweiseitigen Lebenslauf sowie ein neues zweiseitiges Kurzprofil zu erstellen.
Ok, Chatti, mach mal.
Fragen über Fragen von ChatGPT
Als nächstes folgte eine richtige Befragungsorgie: Möchtest Du ein Design, wenn ja, welches? Soll ich auch gleich eine englische Version machen? Und eine französische? Möchtest Du dieses, möchtest Du das? Welche Bulletpoints fallen Dir zu den einzelnen Stationen ein? Welche Erfolge hast Du erzielt?
Ich nehme es vorweg: ich habe mich schon seit Jahren nicht mehr so viel mit meinem Lebenslauf beschäftigt. Zumindest nicht mit den älteren Stationen, doch ChatGPT zwang mich dazu, genau darüber nachzudenken.
Das tat ich und mittlerweile hatte ich fast das Gefühl, am Ende der Leitung wäre ein etwas einfältiger und sehr beflissener Assistent, der mir meinen Lebenslauf bastelt. Mit vielen Fehlversuchen, was ganz klar auf mein Konto ging.
Ich konnte viele Dinge, die er abfragte nicht so richtig auf den Punkt bringen. Ich weiß zwar sehr genau, dass ich viele Herausforderungen in meinem Berufsleben gemeistert habe, wahrscheinlich mehr als viele andere Menschen, aber diese Herausforderungen und deren Bewältigung fanden immer in einer Job-Dynamik statt, die mich diese Erfolge gar nicht als solches sehen ließen.
ChatGPT hielt mir den Spiegel vor. Er hat meine Erfolge, Bulletpoints und ähnliches nicht nur in Schlagworte verwandelt, sondern mir auch erklärt, warum diese Schlagworte passen. Dazu musste ich allerdings viele Situationen quasi nacherzählen. Aber WOW! Wie eine sachliche Herangehensweise doch die eigene Betrachtung in ein völlig anderes Licht setzen kann.
ChatGPT ist kein Mensch, er wird das was Du erzählt nicht einfach aufblasen, um Dich besser dastehen zu lassen. Die KI übernimmt nur die Informationen, die sie von Dir bekommt, analysiert sie und packt sie in Worte.
Stunden, eigentlich Tage haben wir mit diesen Unterlagen – Lebenslauf und Kurzprofil – verbracht. Das lag zum einen daran, dass ChatGPT manches immer wieder durcheinander schmiss, mir Angebote machte, die er dann doch nicht umsetzen konnte und ich auch des Öfteren aus dem Chat geflogen bin. Da Menschen dazu neigen, alles zu vermenschlichen, ertappte ich mich immer wieder dabei, dass ich die KI in meinem Kopf ‚Alex‘ nannte.
.ChatGPT , das Ergebnis und weiterer Input
Am Ende hatte ich vorliegen:
- Einen zweiseitigen tabellarischen Lebenslauf, mal mit etwas Design, mal nüchtern sachlich in Deutsch, Englisch und Französisch.
- Ein kreativ gehaltenes zweiseitiges Kurzprofil in Deutsch, Englisch und Französisch sowie ein dreisprachiges – das sich zudem noch als .html- Datei dazu eignete, in meine Website integriert zu werden – sowie das ganze noch einmal in nüchternem Schwarz/Weiß.
Und ChatGPT wäre keine richtige KI, wenn er nicht beflissen wäre, mir mit weiteren knackigen Dokumenten unter die Arme zu greifen. So entstand noch ein One Pager mit meinen Top-Erfolgen, meinen Kompetenzen, meinen wichtigsten Aus- und Weiterbildungen sowie meinen Sprachkenntnissen.
Den allerdings musste ich selber machen, ChatGPT war am Ende ausgepowert und benötigte ein reset.
Ich ließ also KI KI sein und machte mich daran, die beiden One Pager (einmal Design, einmal nüchtern) zu erstellen und alles, was Chatti und ich gemeinsam kreiert hatten, in meine Website zu integrieren. Doch der Selbstversuch war ja damit noch nicht beendet.
Als nächstes ließ ich ChatGPT meine One Pager analysieren und die KI fand sie perfekt. So perfekt, das er mir gleich sagte, wem ich welches Dokument in welchem Design ich wann einsetzen soll:
Insgeheim frage ich mich, warum ich eigentlich mit so vielen unterschiedlichen Dokumenten arbeiten muss, wo ich doch extra eine Homepage erstellt habe, auf der alle diese Dokumente einsehbar sind und wo jeder sich in aller Ruhe ein Bild machen kann.
Ich weiß allerdings auch, dass wir hier in Deutschland sehr konservativ ticken, denn neben der klassischen Bewerbung weise ich in meinen Anschreiben und in meiner E-Mail Signatur immer wieder auf meine Homepage hin, doch kaum ein Personaler oder andere Entscheider schaut sie sich an.
Also bedanke ich mich artig bei ChatGPT und behalte es mir vor, ob ich mich am Ende daran halte.– Ich bin nämlich nicht nur sympathisch und frisch und eine erfahrene Führungspersönlichkeit, ich bin vor allen Dingen eins – eigensinnig!
Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass, egal ob Beere-Design oder seriös, ob Lebenslauf, Kurzprofil oder One Pager, es vor allem auf eines ankommt: die Chemie muss stimmen.
Weil Chat GPT eben eine KI ist, ist er noch lange nicht fertig. Als nächstes bietet er mir eine Begleitmail an, falls ich den One Pager meinen Bewerbungen hinzufügen möchte:
Ich kann mir nicht helfen, aber besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können. Natürlich müssen noch individuelle Inhalte je nach Unternehmen/Bewerbung hinzugefügt werden, aber es ist eine absolut solide Grundlage.
Welche Stellen ChatGPT mir vorschlägt
Damit ist der Selbstversuch damit noch nicht zu Ende, den jetzt haben wir in drei langen Tagen erst einmal die Dokumente auf Vordermann gebracht.
Wir treten nun ein in die akute Bewerbungsphase. Dazu habe ich ChatGPT gefragt, für welche Positionen ich mich mit meinem Profil eigne.
Seine Antwort:
Ok, wenn die KI das sagt (ich würde an dieser Stelle gern einen LOL Emoji einfügen, meine Realität sieht irgendwie anders aus, leider habe ich keinen zur Hand).
Es geht weiter – ChatGPT schreibt Anschreiben
Auf dieser Grundlage habe ich 3 Stellen herausgesucht:
- Eine Stelle, auf die ich mich gerade beworben habe
- Eine Stelle, die sich auf einem mir bekannten Markt bewegt
- Eine Stelle, bei der technisches Verständnis erwartet wird, was so direkt aus meinem Lebenslauf nicht hervorgeht
An allen Dreien durfte ChatGPT sich austoben.
Das erste Anschreiben:
Mist, besser als mein eigenes. Aber jetzt nicht mehr zu ändern.
Das 2. Anschreiben:
Den Firmennamen habe ich geschwärzt, denn die Stelle gibt es tatsächlich, ich möchte mich jedoch nicht darauf bewerben.
Schließlich Anschreiben Nummer 3, bei dem es einige Schwierigkeiten gab:
In der Stellenausschreibung wurde technisches Verständnis vorausgesetzt – ich würde schon sagen, dass ich welches habe, allerdings musste ich das selten zeigen.
Meine Reaktion:
Man sieht, wie schnell man Gefahr läuft, mit unwahren Tatsachen aufzuwarten, wenn man ChatGPT nicht entsprechend füttert.
Das berichtigte Anschreiben war dann exakt aufgesetzt und absolut richtig, dabei sowohl prägnant und interessant.
Ob ich es nutzen werde – schon als Selbstversuch – weiß ich nicht.
Danke ChatGPT, ich habe Erkenntnisse gewonnen, die mich überraschen
Mein Fazit aus diesem Selbstversuch:
- Ich musste mich mehr denn je mit mir selbst, meinem beruflichen Werdegang, mit meinen Erfolgen und den daraus hervorgegangenen Stärken beschäftigen, als jemals zuvor. Es war richtige Arbeit und Anstrengung nötig. Ob ich als gelernte Wirtschaftskorrepondentin in Englisch und Französisch die Übersetzungen nicht lieber selbst übernommen hätte, so als Training, lässt sich drüber streiten. Ich habe der Bequemlichkeit nachgegeben, musste aber alles überprüfen. In vielerlei Hinsicht hat mir ChatGPT den Spiegel vorgehalten – das kann ich absolut nur begrüßen.
Diese KI kann auch dabei helfen, Selbstzweifel abzubauen. Es ist eine Maschine, sie urteilt nicht und das macht es leichter, sich ihr anzuvertrauen.
Nichtsdestotrotz darf man nie vergessen, dass es eine künstliche Intelligenz ist, die nichts weiter macht, als Informationen zu beschaffen, zu analysieren und sie in die richtigen Bahnen zu lenken. - Die Gefahr, die ich sehe ist zum einen, dass ChatGPT nicht überprüfen kann, mit welchen Informationen er gefüttert wird. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich lügen können, dass sich die Balken biegen und hätte eine einwandfreie Vita vorlegen können. Wenn Personaler da nicht alles Gewissenhaft durchleuchten, könnte es zu unerfreulichen Erfahrungen kommen.
Auch kann die Nutzung von KI dazu führen, dass man faul wird und das eine oder andere gar nicht mehr selbst darstellen kann. Macht ja ChatGPT viel schneller und ohne persönliche Anstrengung. Das ist allerdings kein neues Phänomen. Letztens konnte ich an der Supermarktkasse beobachten, wie eine junge Auszubildende nicht in der Lage war, einer Person, die auf einen Bon über 4,24€ den Betrag von 5,30€ abgab, das Rückgeld zu berechnen. Sie hat es nie gelernt. Denn jedes Smartphone ist heute mit einem Rechner ausgestattet und in der Schule waren schon zu meiner Zeit Taschenrechner erlaubt. Es gehen schon seit geraumer Zeit viele Fähigkeiten dank des technischen Fortschritts verloren.
- Eine weitere Gefahr sehe ich in der konsequenten Nutzung von KI in den Fragen des Alltags. Jede KI, auch ChatGPT ist nur so gut, wie sie gefüttert wird und nicht jede Information kann per se als richtig eingestuft werden.
Nur der perfekte Mensch kreiert eine perfekte KI!
Wir Menschen sollten einfach nicht vergessen, dass auch eine KI, so wie ChatGPT, von Menschen kreiert ist und daher auch nur so gut sein kann, wie der Mensch sie macht – sei es, der Programmierer im Hintergrund oder der User an der Oberfläche.
KI wird niemals perfekt sein, weil wir Menschen es nicht sind.
Das eindrucksvolle Ergebnis ist zu sehen unter:
https://portfolio-klw.de/lebenslauf
Das sagen die Medien:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/arbeitsmarkt/ki-bewerbung-100.html
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